Firas Maraghy
An den Polizeipräsidenten der Stadt Berlin, August 2010
Betreff: Polizeiliche Anweisungen hinsichtlich des Hungerstreikenden Firas Maraghy vor der Botschaft des Staates Israel in Berlin.
Sehr geehrter Herr Glietsch,
Seit dem 26. Juli 2010 befindet sich der Palästinenser Firas Maraghy im Hungerstreik vor der Israelischen Botschaft in der Auguste-Viktoria-Str. 74-76 in Berlin-Wilmersdorf. Er unternahm diesen letzten verzweifelten Schritt, da seiner siebenmonatigen Tochter, Zaynab Maraghy, seit ihrer Geburt von Seiten des Staates Israel die Ausstellung eines sogenannten „laissez-passer“-Dokumentes verweigert wurde, die sie zur Einreise nach und Aufenthalt in Jerusalem, dem Herkunftsort von Herrn Maraghy und der Heimat seiner Familie, berechtigt.
Zudem wurde Herrn Maraghy im Mai 2009, als er sich in Jerusalem aufhielt, um seine Papiere dort zu verlängern, von israelischen Behörden bedeutet, er werde sein Aufenthaltsrecht dort verlieren, sofern er sich über einen längeren Zeitraum in Deutschland aufhalte. Diese Verweigerungshaltung der Israelischen Botschaft kündet nicht nur von einer seltsamen Auslegung geltenden israelischen Rechts, sondern verstößt in offensichtlicher Weise gegen Artikel 13, Abs. 1 und 2 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, welche die Generalversammlung der Vereinten Nationen am 10. Dezember 1948 verabschiedete und zu deren Wahrung sich auch die Bundesrepublik Deutschland mit ihrem Beitritt zu den Vereinten Nationen im Jahre 1973 verpflichtet hat.
Zu Beginn seiner Protestaktion wurde Herrn Maraghy von den polizeilichen Sicherheitskräften vor der Israelischen Botschaft ein Platz schräg gegenüber der Israelischen Botschaft in der Auguste-Viktoria-Straße Ecke Flinsberger Platz zugewiesen, den er als Ort seines Hungerstreikes beziehen könne. Am 30. Juli 2010 wurde Herr Maraghy jedoch aufgefordert, seinen Standort um ca. 20 Meter weg von der Israelischen Botschaft zu verlagern. Diese Anordnung, welche die Sichtbarkeit seines Protestes deutlich verringert und die offenkundig auf Bitte der Israelischen Botschaft zustande gekommen ist, wurde begründet mit dem Hinweis auf das Wiener Abkommen über diplomatische Beziehungen von 1961 und einer diesbezüglichen Regelung, die einen Abstand von 50 Metern zur Botschaft vorsehe.
Art. 22, Abs. 2 des Wiener Abkommens besagt, dass der Empfangsstaat, in diesem Falle die Bundesrepublik Deutschland, die Pflicht habe, „alle geeigneten Maßnahmen zu treffen, um die Räumlichkeiten der Mission vor jedem Eindringen und jeder Beschädigung zu schützen und um zu verhindern, dass der Friede der Mission gestört oder ihre Würde beeinträchtigt wird.“
Gemäß dem oben zitierten Artikel ist die Bundesrepublik Deutschland dazu verpflichtet, nicht nur das Missionsgelände selbst zu schützen, sondern auch „auf den angrenzenden Straßen Präventivmaßnahmen zu ergreifen, wenn sich absehen lässt, dass Personen beabsichtigen, die Räumlichkeiten der Mission zu beeinträchtigen und in sie ohne Genehmigung einzudringen.“ Wenn man dem oben zitierten Kommentar zum Wiener Übereinkommen von Niklas Wagner, Holger Raasch und Thomas Pröpstl, erschienen 2007 im Berliner Wissenschafts-Verlag, folgen mag, ist jedoch fraglich, „gegen welche Aktivitäten vor dem Missionsgelände der Empfangsstaat vorzugehen hat.“ Besonders im Falle politischer Demonstrationen sei die Würde der Mission mit der gesetzlich verbürgten Meinungsfreiheit abzuwägen (in der Bundesrepublik Deutschland ist die Meinungsfreiheit geregelt in Art. 5 GG).
Unseres Erachtens ist der friedliche Protest von Firas Maraghy durch das vom Grundgesetz verbürgte Recht auf Meinungsfreiheit gedeckt, welcher in diesem Falle nicht die Würde der Israelischen Botschaft verletzt. Firas Maraghy geht weder gewaltsam, noch beleidigend gegen die Botschaft vor und versperrt auch in keiner Form den freien Zugang zum Gebäude. Vielmehr nutzt er mit der größtmöglichen Zurückhaltung sein Recht auf freie Meinungsäußerung, um die Verletzung von Menschenrechten anzuprangern.
Überdies erachten wir die Verlagerung seines Standortes aus medizinischen Gründen für unverantwortbar, da ein Hungerstreikender ständiger Beobachtung bedarf, welche die Polizisten vor Ort, die bislang freundlich und hilfsbereit auf sein Wohlbefinden achteten, so weit weniger gut übernehmen können.
Aus diesen Gründen möchten wir Sie darum bitten, die Verlagerung des Standortes von Firas Maraghy auf Rechtmäßigkeit und Notwendigkeit hin zu überprüfen. Auch würden wirh gerne darüber informiert werden, auf welcher gesetzlichen Grundlage der oben erwähnte Abstand von 50 Metern zur Botschaft beruht.
Mit freundlichen Grüßen,
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