Offener Brief an Praeses Buss
Lieber Bruder Buss, wir haben uns sehr gefreut, dass Sie beim Kirchentag an einer Veranstaltung des Zentrums der oekumenischen Arbeitsgruppe "Homosexuelle und Kirche" e.V. teilgenommen haben und oeffentlich deutlich Stellung bezogen haben fuer eine Normalisierung des Verhaeltnisses unserer Kirche mit Homosexualitaet. Es ist wichtig und richtig, dass sich hohe Repraesentanten des deutschen Protestantismus in dieser Weise aeussern und so die Akzeptanz homosexueller Menschen innerhalb der Kirche Jesu Christi sichtbar wird. 1. Wir teilen mit Ihnen die Sorge um die weiter bestehende Diskriminierung homosexueller Menschen innerhalb der Kirche, aber auch innerhalb der Gesellschaft. Die Kirche Jesu Christi muss hier parteiisch sein und sich auf die Seite der Ausgegrenzten stellen, wie Jesus selbst es auch getan hat. Das haben Sie mit Ihrer Aeusserung beispielhaft getan. Sie bewegen sich damit auf derselben Linie wie schon der Synodalbeschluss unserer westfaelischen Kirche von 1996 "Sexualitaet verantwortlich gestalten". 2. Wir teilen ebenso mit Ihnen die Einschaetzung, dass die immer wieder zur Verurteilung maennlicher (!) Homosexualitaet herangezogenen Bibelverse (Lev 18,22; 20,13; Ri 19,22; Roem 1,26-27) dazu nicht aussagefaehig sind. Sie sind kontextuell zu betrachten und auszulegen, wie uns die moderne Bibelwissenschaft lehrt. Tut man dies, so kommt man wie Sie zu dem Ergebnis, dass sie von ganz anderen Dingen reden als von Homosexualitaet im heutigen Sinne (vgl. z.B. Wiedemann). Das in der Kirchenordnung der Evangelischen Kirche von Westfalen festgeschriebene Prinzip der Heiligen Schrift als alleinige und vollkommene Richtschnur des Glaubens, der Lehre und des Lebens (Grundartikel I., vgl. auch Barmen I) darf hier nicht ausgeblendet werden. Es erfaehrt im Gegenteil neue Bestaetigung, wenn mit neuen Erkenntnissen der Bibelwissenschaft (!) die Aussagen der Schrift besser verstanden werden koennen. 3. Die biblische Botschaft der Annahme jedes Menschen unabhaengig von seiner sexuellen Orientierung ist auch und gerade fuer die heranwachsenden Generationen wichtig. Sie wird sie nicht verunsichern, sondern im Gegenteil befreien und stark machen, ihre sexuelle Orientierung zu entdecken und verantwortungsbewusst zu leben. Insofern ist diese Botschaft Bestandteil der befreienden Botschaft des Evangeliums von Jesus dem Christus. 4. Im Blick auf die Eheschliessung fuer Homosexuelle sind wir jedoch anderer Meinung als Sie. Die Ehe ist im umfassenden Sinne eine Verantwortungsgemeinschaft, was ausdruecklich die Geburt und Erziehung von Kindern mit einschliesst, gleichzeitig aber weit ueber sie hinausgeht. Auch in homosexuellen Partnerschaften werden bereits heute vielfach Kinder geboren und erzogen. Insofern gibt es kein wesentliches Unterscheidungs- (d.i. Diskriminierungs-) Merkmal, um homosexuellen Partnerschaften die Ehe zu verweigern. Wenn in einer Partnerschaft generationenuebergreifende Verantwortung gelebt wird, so ist dies Grund genug, dies staatlich, aber auch kirchlich anzuerkennen und zu foerdern. Wir sind uns bewusst, dass gerade in diesem letzten angesprochenen Punkt noch viel kirchlicher (und gesellschaftlicher) Diskussionsbedarf besteht. Deshalb begruessen wir Ihre Anregung, die Diskussion nicht abreissen zu lassen und sie behutsam und unter Achtung aller Positionen fortzufuehren (im Sinne von Roem 15,7). Sie befinden sich dabei im vollen Konsens mit dem Synodalbeschluss der Synode 1996. Wir moechten Sie darin bestaerken, dafuer zu sorgen, dass die theologische Weiterarbeit an diesem Thema in unserer Landeskirche auch institutionell wieder verankert wird und auf allen Ebenen wieder aufgenommen wird. Ja, lieber Bruder Buss, der Weg, den Sie in dieser Frage fuer unsere Kirche vorschlagen, ist unserer Meinung nach der einzig richtige und gangbare. Es ist der Weg, sich immer wieder neu von der biblischen Botschaft herausfordern und anfragen zu lassen. Wir bitten Sie nachdruecklich, diesen Weg weiter zu verfolgen und bieten Ihnen unsere Mitarbeit an. Es wird kein bequemer und leichter Weg sein, er wird unsere Kirche herausfordern, aber wir muessen ihn um des Evangeliums willen beschreiten. Mit geschwisterlichen Gruessen Für Hintergrundinformationen schauen Sie bitte auf die Links auf der rechten Seite. Bitte geben Sie unter "Comments" ggf. Ihre kirchliche Funktion, in jedem Fall aber Ihren Ort und Ihre Landeskirche an. Ihre E-Mail-Adresse wird nicht in der Online-Unterzeichnerliste angezeigt. Nach dem Eintrag der Unterschrift erscheint eine Spendenaufforderung für den Webseiten-Betreiber - und nicht für uns. Sie können diese Seite einfach schließen, Ihre Unterschrift ist dann bereits gezählt.
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